Zur Geschichte von Semlak
Von Georg Schmidt, Grevenbroich
Die Gemeinde Semlak (rum. Semlac, ung. Szemlak) liegt auf einer Anhöhe am nördlichen Maroschufer, 38 km westlich von Arad. Die geographischen Koordinaten betragen 46 Grad 05 Minuten nördliche Breite und 20 Grad 54 Minuten östliche Länge (von Greenwich). Die Höhe über der Adria beträgt 110 - 124 m.
Auf der Gemarkung des heutigen Ortes Semlak gab es im Laufe der Zeit verschiedene Ortschaften, von denen ein Teil, mehr oder weniger kontinuierlich besiedelt waren.
Ersten bekannten Aufzeichnungen zufolge gehörte der Ort dem ungarischen König Andreas II., der ihn dem römisch katholischen Bistum von Csanád schenkte. 1320 gehörte Semlak dem ungarischen König Karl I. Robert aus dem älteren Hause Anjou, der es einem seiner Soldaten, dem Grafen Johann Zemleky schenkte. Es ist nicht geklärt, ob der Name Semlak von diesem Zemleky stammt oder umgekehrt. Durch die Heirat der Tochter Zemlekys mit dem Nadlaker Grafen Joksy, gelangt das Dorf dann in dessen Besitz. Nach dem Tod von Joksy finden wir Semlak als Eigentum des Königs Ladislaus I. wieder. Er schenkte es Johann Hunyády und dieser wiederum seiner Mutter, welche die Felder von Semlak zu drei Vierteln unter den Einwohnern aufteilte, ein Viertel aber als selbständiges Gut belässt. Im 11. Jahrhundert sind die ersten rumänischen Siedler erwähnt und im 15. Jahrhundert kamen Serben, die auch die erste griechisch orthodoxe Kirche bauten.
Zwischen 1564 und 1697 war der Ort türkisch und wurde zu einer befestigten Siedlung ausgebaut. Auch zur Zeit der Militärgrenze an Theiß und Marosch war Semlak ein wichtiger Stützpunkt am Nordufer der Marosch und hauptsächlich von serbischen Wehrbauern bewohnt. Die ungarische Hofkammer verkaufte das Gut Semlak 1841 an den Grafen Gustav Hádik von Futok in dessen Besitz es bis zur Revolution von 1848 blieb. Danach gehören dann wieder 3/4 des Bodens den Einwohnern und 1/4 einer ungarischen staatlichen Stiftung.
1819 siedelte die ungarische Hofkammer die ersten Deutschen an. Es waren Evangelische Augsburger Bekenntnisses (Lutheraner) aus dem Städtchen Mezöberény (auch Harruckernau oder Berin genannt) im Komitat Békes, etwa 100 km nordwestlich von Semlak. Ihnen folgten zwischen 1823 und 1827 etwa 38 deutsche Familien aus dem westlich von Debrecen gelegenen Balmazújváros. Diese waren evangelisch reformiert und gehörten dem helvetischen Glaubensbekenntnis an.
Die Besiedlung der Gemeinde Semlak mit Deutschen geschah durch eine innerungarischen Migration. Die Vorfahren dieser Siedler kamen nach den Türkenkriegen nach Ungarn im Rahmen privater Kolonisationen. Dies ist ein wesentlicher Unterschied zur Besiedlung des Banats. Die späteren Semlaker Deutschen haben ihre eigene Geschichte, sie hat mit der Geschichte der Banater Schwaben nur wenig gemeinsam. Sie bezeichnen sich selbst nicht als Schwaben, und "Banat" ist für sie das Land jenseits der Marosch. Erst ab 1919, nach dem Anschluß an Rumänien als Folge des Friedensvertrages von Trianon und der Ereignisse der dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts, sollten die Semlaker Deutschen und die Banater Schwaben zu einer Schicksalsgemeinschaft werden.
Getrennt durch Glaubensbekenntnis und unterschiedliche Herkunft, bildeten sich in Semlak im Laufe des 19. Jahrhunderts zwei starke deutsche Gemeinschaften heraus: Die "Beriner" (evangelisch), hauptsächlich die Nachkommen der Einwanderer aus Mezöberény, aber auch aus Hartau und Sóldvadkert in Ungarn, und die "Gubaschen" (reformiert), deren Vorfahren aus Balmazújváros kamen. Letztere haben ihren Namen von einem Filzumhänger, dem Guba, der auffallendes Merkmal ihrer Tracht war. Beide Gemeinschaften bewohnten ihre jeweiligen Ortsteile getrennt, bis in die heutige Zeit. Einmalig für unser Siedlungsgebiet ist, dass sich in Semlak bis zuletzt zwei deutsche Mundarten erhalten haben. Die Evangelischen sprechen eine rheinfränkische "fest"-Mundart und die Reformierten eine rheinfränkische "fescht"-Mundart. Diese Mundarten haben sich im wesentlichen schon in den ungarischen Zwischenstationen Mezöberény und Balmazújváros herausgebildet.
Semlak war seit jeher ein Ort, in dem mehrere Nationalitäten nebeneinander lebten. Hier soll vor allem die Geschichte der Semlaker Deutschen verfolgt werden.
Die evangelischen Deutschen bauten sich schon 1822 ein eigenes Schulhaus und betrieben bis 1948 ihr eigenes, konfessionelles deutschsprachiges Schulwesen. Ihren ersten Pfarrer erhielt diese Kirchengemeinde 1829, doch erst 1845 wird die heutige Kirche erbaut. Die Reformierten bildeten zunächst bis 1835 mit den Evangelischen eine gemeinsame Gemeinde. Im Jahr 1838 bauten sie ihr erstes Schulgebäude, in dem bis zum Kirchenbau 1885 auch die Gottesdienste abgehalten wurden. Auch sie unterhielten bis zur Schulreform von 1948 eine eigene konfessionelle Schule. Wegen ihrer evangelischen Religionszugehörigkeit waren die Semlaker bis zum Ende des ersten Weltkrieges kulturell eher nach Ungarn ausgerichtet und weniger zum Banat hin. Erst 1923 trat die evangelische Kirchengemeinde A.B. der Landeskirche der Siebenbürger Sachsen bei.
Die Semlaker Deutschen bildeten, nach den Rumänen, immer die zweitstärkste Bevölkerungsgruppe im Dorf. So geht aus einer Statistik von 1848 hervor, dass neben den 2630 Rumänen, 1883 Deutsche und 987 Angehörige anderer Nationalitäten (Madjaren, Slowaken, Serben, Juden, Zigeuner, Ruthenen) dort lebten. 1890 lebten 2419 Deutsche in Semlak, bei einer Gesamteinwohnerzahl von 6321. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts ist ein bedeutender Rückgang der Seelenzahl zu beobachten. Nicht nur nach Übersee, sondern auch nach Serbien und sogar nach Bulgarien sind Semlaker Deutsche, auf der Suche nach neuem Lebensraum, ausgewandert, 51 junge Männer mussten ihr Leben im I. Weltkrieg lassen, was einen erheblichen Einfluss auf die Geburtenzahlen zur Folge hatte. So hatte sich die Zahl der Deutschen im Ort bis 1930 auf 1873 verringert, um bis 1941 noch einmal auf 2001 anzusteigen.
Die Ereignisse rund um den zweiten Weltkrieg bewirkten eine stetige Abnahme der Zahl der Deutschen im Ort. 104 junge Männer starben als Soldaten in der rumänischen und der deutschen Armee, 27 Junge Frauen und Männer sind der Deportation in die Sowjetunion zum Opfer gefallen und viele der im Herbst 1945 geflüchteten sind nicht mehr in die Heimat zurückgekehrt. So lebten 1977 in Semlak zwar noch 1065 Deutsche, aber 1994 nur noch etwa 200.
Die Semlaker Deutschen wurden als Bauern angesiedelt und blieben dies in ihrer großen Mehrheit bis zur Enteignung von 1945. Die Gewerbetreibenden im Ort waren in der Mehrheit anderen Nationalitäten angehörig.
Das kulturelle Leben war bis 1941 fast ausschließlich durch die Kirche bestimmt und spielte sich auch organisatorisch im Rahmen der Kirchengemeinden ab. 1925 wurde, auf Initiative von Andreas Gottschick, das evangelische Kulturhaus gebaut, in dem viele kulturelle Veranstaltungen, bis hin zur Aufführung von Operetten, stattfanden.
1931 wurde der evangelische deutsche Männergesangverein mit dem Namen "Brudertreu" gegründet, der zur Huber-Grünn-Gruppe des Banater Deutschen Sängerbundes gehörte. Die Fahnenweihe fand am 27.08.1933 statt. Teilnehmer waren Gesangvereine aus vielen Banater Ortschaften. Es war das größte Fest, dass der Ort jemals erlebt hatte. Im Zuge des völkischen Erwachens zwischen den beiden Weltkriegen bildeten sich dann auch in Semlak eine Reihe von weiteren deutschen Vereinen:
- 1932 je ein evangelischer und ein reformierter Frauenverein.
- 1934 der deutsche Bürger-Leseverein
- 1936 eine Erzeugergenossenschaft
- 1939 der schwäbische Landwirtschaftsverein (Obmann Georg Schmidt, Stellvertreter Friedrich Schilling) der Gewerbeverein.
Im politischen Leben der Gemeinde spielten die Semlaker Deutschen, - sie waren immer nur die zweitstärkste Gruppe -, keine herausragende Rolle. Mit Friedrich Schilling im 19. Jahrhundert und mit Georg Wagner in den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts stellten sie nur zweimal den Bürgersmeister. Auch die deutschen Parteien nach dem ersten Weltkrieg fanden im Ort wenig Resonanz. Erst Ende der 1930ger Jahre, bzw. nach der Gründung der "Volksgruppe" und bis zum Ende des Krieges ist ein starkes politisches Engagement zu verzeichnen.
Der sich abzeichnende wirtschaftliche Aufschwung am Vorabend des zweiten Weltkrieges, wurde durch diesen und seine Folgen zunichte gemacht. Nach der Enteignung von 1945 standen auch die Semlaker Deutschen, die sich immer mehrheitlich mit Landwirtschaft beschäftigten, vor dem wirtschaftlichen Ruin. Zunächst arbeiteten die meisten als Tagelöhner bei der, auf den von ihnen enteigneten Feldern gegründeten Staatsfarm. Ab 1952 entstehen im Ort zwei Kollektivwirtschaften, denen allmählich auch viele Deutsche beitreten. Die Jugend allerdings wendet sich seit den 50ger Jahren immer mehr anderen Beschäftigungen zu. Eine große Anzahl besucht weiterführende Schulen in den nahen Städten. Besonders nach der Eröffnung der Zugverbindung mit der Kreisstadt Arad im Jahr 1950 pendelten viele Semlaker nach Arad, wo sie, vorwiegend in den vielen Industriebetrieben, ihre Existenz bestritten.
Nach der Unterrichtsreform von 1948 entsteht allmählich eine starke deutsche Schule in Semlak, die später als Abteilung der örtlichen Allgemeinschule bis Ende der 80ger Jahre bestand. Vor allem den Lehrern dieser Schule ist es zu verdanken, dass ab 1950 und bis zur Auswanderung ein reges deutsches kulturelles Leben stattfand. Besonders verdient gemacht haben sich in dieser Hinsicht die Lehrer Jakob Schmidt, Alfred Müller, Katharina Gal, Michael Jost sowie Laienkünstler wie Georg Kaiser, Josef Haibach und viele andere.
Mit den siebziger Jahren beginnt auch in Semlak die große Auswanderungswelle nach Deutschland, die in den Jahren nach der rumänischen "Revolution" ihren Höhepunkt erreichte. Die wenigen, heute noch im Ort lebenden Deutschen haben eine Ortsgruppe des Demokratischen Forums der Deutschen gegründet. Unter der Anleitung des evangelischen Pfarrers Walter Sinn sind sie bemüht, unsere Traditionen zu erhalten. Die 175. Wiederkehr der Ansiedlung der ersten Deutschen in Semlak wurde im August 1994 mit einem großen Fest begangen.
Seit 1980 finden regelmäßig Treffen der ehemaligen Semlaker in Deutschland statt. Beim dritten Treffen in Ingolstadt, am 22. Mai 1983, wurde die Heimatortsgemeinschaft Semlak gegründet. Ihr erster Vorsitzender war Heinrich Schubkegel (1938 - 1991). 1991 wurde Georg Schmidt zum Vorsitzenden gewählt. Auf der Hauptversammlung an Pfingsten 1997 hat sich die Heimatortsgemeinschaft Semlak eine eigene Satzung gegeben und ist ein gemeinnützig anerkannter Verein, der sein Hauptziel, die landsmannschaftliche Verbundenheit der früheren Semlaker sowie deren Nachkommen zu pflegen und zu fördern, in enger Zusammenarbeit mit der Landsmannschaft der Banater Schwaben, verfolgt.
Am 18. Oktober 2003 wurde Georg Braun zum Vorsitzenden und Georg Schmidt zum Ehrenvorsitzenden gewählt.
Die HOG Semlak bringt unter der Redaktion von Georg Schmidt seit 1987 eine Schriftenreihe (Heimatbrief) heraus, in der Studien und Berichte zum Leben des Vereins sowie zur Geschichte und den Traditionen der Semlaker Deutschen veröffentlicht werden.